Liebe Freunde,

 

Im Mai vor nahezu 10 Jahren war ich das erste Mal in Khou Khou, damals ohne Wissen was mich erwartet und mit dürftiger chirurgischer Ausstattung. Als sterile Abdeckung dienten uns die Papiereinlagen aus den sterilen Handschuhen. Wie hat sich seitdem die Welt auch in Khou Khou verändert. Seit dem Waffenstillstand zwischen der burmesischen Regierung und der KNU(Karen National Union) 2012 gibt es einen spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung. Überall entstehen kleine Geschäfte, Restaurants und Handwerksbetriebe. Die Stromversorgung ist stabil, vorbei die Zeit, wo wir uns zwischen dem Betrieb der OP-Leuchte, der Klimaanlage oder den Einsatz des Elektrokauters entscheiden mussten. Nur hin und wieder muss das Notstromaggregat seinen Dienst tun. Mit dem zunehmenden Lebensstandard wird sich die Bevölkerung auch eine bessere medizinische Versorgung wünschen. Der OP-Betrieb hat deutlich an Qualität gewonnen. Die Ausstattung mit chirurgischen Basisinstrumenten ist inzwischen so gut, dass 2 oder 3 OP's damit ausgerüstet werden könnten. Es gibt sterile Abdecktücher zu jeder OP und OP-Kleidung. Das OP-Personal ist gut trainiert und vor allem enorm engagiert. Es macht eine Freude mit diesen jungen Karen zu operieren. Sicher gibt es noch Verbesserungsbedarf, aber bei aller berechtigter Kritik, sollten wir uns hin und wieder erinnern wie alles angefangen hat. Auch reicht es nicht seine Kritik oder Wünsche zu äußern, Veränderung in unserem Sinne wird nur entstehen, indem wir es selbst anpacken.

 

 Unser kleines Team bestand dieses Jahr aus 5 Mitstreitern. 4 Wochen vor unser Abreise ist es mir noch gelungen über Interplast einen Anästhesisten zu finden. Klaus Schwarzmaier, mit seiner Frau Christa, welche als Anästhesieschwester fungierte, aber eigentlich Ärztin ist, waren eine echte Bereicherung für unsere Arbeit. So konnten wir diesmal auch die unter 6 jährigen Kinder operieren, die Jüngsten gerade mal 2 Jahre alt. Gerd Heitmann war das dritte Mal vor Ort. Er kümmerte sich um alles was repariert werden musste und wofür wir keine Zeit hatten, knüpfte kleine Netzwerke mit den lokalen Handwerkern. So entstand auch ein Handtisch für den OP, welcher dem Anästhesisten die Arbeit erleichterte und sich auch für Hand-OP's als sehr nützlich herausstellte. Auch wurde eine fahrbare Krankentrage entworfen und mit den lokalen Handwerkern verwirklicht. Vorher wurden die Patienten vom OP-Tisch zum Bett im Krankensaal  getragen, immer eine Aktion wo ich lieber nicht zugesehen habe. Gebhard v. Haehling war auch das dritte Mal dabei und als Chirurg im OP und Ambulanz eine große Entlastung. Ich konnte meinen 10. Einsatz feiern.

 

 Dieses Jahr gab es reichlich Patienten, die Ambulanz und somit das OP-Programm waren gut gefüllt und einige wenige Patienten mussten auf das nächste Jahr vertröstet werden. An 8 OP-Tagen haben wir 58 OP's durchgeführt, an manchen Tagen bis zu 10. Neben den gewohnt vielen Leistenhernien, Hydrocelen und Lipomen, sind hier eine erstmalig durchgeführte Blasensteinentfernung bei einem stummen Patienten zu nennen. Der Stein war 6 cm groß und hatte dem Patienten erhebliche Schmerzen bereitet. Zum 4. mal in Khou Khou konnte ich eine Lippenspalte, bei einem 6 jährigen Mädchen, operieren. Für Spaltoperationen gibt es sicher noch einen großen Bedarf und wir sollten uns auf diesem Gebiet weiter qualifizieren. Dramatische Fälle fehlten dieses Jahr gänzlich, aber die wünscht man sich auch nicht wirklich. Leider hat unser Elektrokauter nach mehreren Jahren Dienst ohne Wartung seine Funktion aufgegeben. Das verlängert die OP-Zeiten deutlich, da man jede kleine Blutung mit Unterbindungen stillen muss, verringert den OP-Komfort und erhöht das Risiko für unsere Patienten. So mussten wir dann auch 2 Nachblutungen operieren. Leider konnte auch der örtliche Elektriker das Problem nicht finden, ein Ersatzgerät kostet auch auf dem Gebrauchtmarkt ein kleines Vermögen.

 

Saw Kyaw Hla, mein alter Freund, der mir nun seit 10 Jahren bei Operationen assistiert, hat unter meiner Anleitung seine erste Leistenhernie mit Erfolg operiert. Wenn man die Grenze nach Burma überschreitet, akzeptiert man Dinge, die man vorher nie für möglich gehalten hätte. Sie sind auch nur hier möglich, nicht in Deutschland. Schade, dass er nicht Medizin studieren kann.

 

Alles war so nur in Teamarbeit möglich, sowohl der Deutschen, als auch der überaus wissbegierigen und engagierten Karen.

 

Wir sind auf einem guten Weg. Ich freue mich auf das nächste Mal.

 

Euer Uwe Henschel