Februar 2010

Liebe Freunde,

 

wieder bin ich zurück von diesmal 2 Augencamps mit über 120 Augenoperationen: wohl die größte körperliche und mentale Herausforderung, an die ich micht erinnern kann. Begonnen haben wir am – durch den Bahnbau der Japaner im 2. Weltkrieg - berühmten 3 Pagoden Pass, direkt an der thailändisch-burmesischen Grenze. Nach 2 Tagen hatten sich bereits über 350 Patienten aus Burma angemeldet. Wir ertranken förmlich in Patienten und Arbeit und mussten die weitere Aufnahme schließen. Wir, die Mitarbeiter: das sind 6 Deutsche, ebensoviele Karen und einige australische junge Damen, die fleißig und treu die Sehtests durchführten. 6 deutsche Mitarbeiter: drei ältere Herren: Fritz, Jochen und ich und 3 junge Damen: Helena, Sara und Nadine harmonierten gut, halfen sich gegenseitig, arbeiteten unaufhörlich und nur so gelang die ganze Arbeit. Dem Augencamp angeschlossen war eine Brillenwerkstatt, die arbeitete, bis alle Linsen aufgebraucht waren. Das Augencamp am 3 Pagoden Pass war wie ein Faß, in das wir ein Loch gestossen hatten: eine unvorstellbar große Not an Augenversorgung für die Armen der Burmesen, und das sind dort die Allermeisten. Wir operierten an drei Tischen: Thaw Thuu, mein bester Karen Schüler, Nadine und ich. Nadine schlug sich tapfer als Anfängerin in der Augenchirurgie und operierte die minor cases. Sara half mir, den Überblick über die vielen Operationen zu behalten und Helena und Fritz stellten die Augenmedikamente her und Jochen kümmerte sich um die Brillen.

 

Ein 12jähriges Mädchen hatte viel Vertrauen und so wagte ich die Operation in örtlicher Betäubung. Aber dann ließ ihr Mut nach und sie schrie während der ganzen Operation. Unter so erschwerten Bedingungen gab ich jede Hoffnung auf, das Sehen zu verbessern. Falsch. Sie sah wieder und machte ein Foto von ihr und mir und folgendem Text: „I never forget to you. Thanks you. Myanmar girl Hein Zar“. Die größte innere Erschütterung auf der Reise erlebten wir, als ein junger Mann gebracht wurde, dessen Gesicht vor einiger Zeit vollkommen mit Säure übergossen und zerstört und entstellt worden war. Beide Augen waren in den Höhlen zerfressen, die Lider und die restliche Gesichtshaut nur noch Narbenstränge. Mit einer kleinen Operation habe ich versucht, dem verbliebenen Auge mit geringer Restfunktion ein wenig mehr Licht zu verschaffen.

 

Die zweite Hälfte unserer Zeit verbrachten wir wieder in Kou Kou, meinem burmesischen Heimat-Krankenhaus. Auch hier warteten ausserordentlich viele hilfsbedürftige Blinde, die in der Trockenzeit anreisen konnten. Entfernungen von 200 km oder 12 Stunden auf dem Auto wurden geduldig in Kauf genommen, um wieder besser sehen zu können. Dabei waren viele Glaukom Patienten (grüner Star), die mitunter nur noch Licht erkennen konnten. Jeder wurde operiert, auch wo nach menschlichem Ermessen keine Chance zur Verbesserung mehr bestand. Und dann habe ich immer wieder erfahren, dass gerade bei den Hoffnungslosen wieder Verbesserungen feststellbar wurden. Da haben es die Katarakt Patienten (grauer Star) weit besser: ihre Prognose zur Verbesserung des Sehens ist mitunter grandios. Menschen, die jahrelang blind waren, laufen wieder fröhlich herum und entdecken ihre Welt ganz neu.

 

Blinde Kinder: ein neues Thema. Hier kann allerdings nur in Vollnarkose, und nicht mehr in örtlicher Betäubung, operiert werden. Vor der Vollnarkose bei Kindern habe ich grossen Respekt und viel Angst. Aber das zählt nicht. Ein 10 jähriger Junge war nach einem Trauma bereits seit Jahren auf beiden Augen blind. Nach der Operation konnte er wieder sehen und lief immerzu hinter mir her. Ein anderer Junge hatte eine akute Augenverletzung bekommen. Sein Auge war eine blutige Masse. Unvorstellbar, dass die Operation gelang und er wieder etwas sehen konnte. Es kamen auch mehrere Babies mit angeborenem Glaukom bzw. Katarakt. Ich war längst an den Grenzen meiner operativen Fähigkeiten und musste doch weiter machen.

 

Das Krankenhaus füllte sich mit immer mehr Patienten. Dabei waren auch mehrere, die eigentlich schon aufgegeben waren: eine Frau mit schwerer Herzschwäche und einer Sauerstoffsättigung von 40% erholte sich unter der Therapie und hatte zum Schluß wieder 90% erreicht. Ein Mann entwickelte in der letzten Nacht ein Nierenversagen. Da war Standhalten angesagt bis die Nieren gegen Morgen die Funktion wieder aufnahmen.

 

In der Not der Armen müssen die Ärmel aufgekrempelt werden und der Kampf gegen Leiden und Sterben der Armen in Liebe und Kompetenz aufgenommen werden. Wer das tut, wird – wie wir – Wunder und Dankbarkeit erleben.